Was lossless audio wirklich kann

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es_91
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Was lossless audio wirklich kann

Beitrag von es_91 »

(Habe eben im englischen Forum einen ähnlichen Beitrag gepostet.)


FLAC dürfte vielen Musikfreunden ein Begriff sein. Der verlustfreie Audio Codec kann CD-Audio in etwa so stark komprimieren wir .rar oder .7z, die Dateien sind dank des Codecs jedoch direkt abspielbar.


Unterhalb der lossless Codecs rangieren die verlustbehafteten Kompressoren wie AAC, MP3, WMA usw. Deren Datenraten übersteigen selten 400 kBit/s, doch die Qualität entsprcht praktisch nie der der Musik-CD.


Auch Fred hat uns neben FLAC mit einem verlustbehafteten Codec bedachht: Die Sound-Lib unterstützt Ogg Vorbis, weil dieser lizenzfrei ist und recht gute Ergebnisse abliefert.


"Gut" ist hierbei jedoch ein schwieriges Wort: Eine echte Musik-CD lässt sich nicht mit den üblichen Komprimierungsverfahren beschreiben. Der Klang wird zu stark verändert. Stereofonie und Klarheit des Klangbildes gehen verloren. (Nicht so bei FLAC, WMA lossless und AppleLossless).


Also stellte ich mir die Frage, ob man die lossless codecs noch zu mehr als der schwachen Komprimierung von 10-40% bei CD-Audio benutzen kann. Und ich habe ein gutes Rezept gefunden.


Vielleicht erinnert Ihr euch an DPCM und ADPCM. Verfahren, die durch Bit-Tiefenkomprimierung 50% oder 75% des Speicherplatzes sparen - die allerdings Zischen, Kratzen und Überdichtung ins Klangbild bringen - für Telefonie gut geeignet, nichts jedoch für Hifi-Freunde.


Wenn man die Lautstärke eines Musikstückes um mehr als 6 DeziBel herabsetzt reduziert man effektiv die Anzahl der verwendeten Bits im Bereich der Bittiefe (y-Achse der PCM-Kurve). -12dB bedeuten dann zwei Bits weniger, also 14 Bits bei einer CD. -24dB bedeuten 4 Bits weniger, also 12 Bits. Testversuche ergaben, dass man ohne deutlichen Klangunterschied eine Musik-CD auf etwa 10 Bits Tiefe herabregeln kann. (Dass wären dann -36 dB). Dazu kann man einfach ein Musikbearbeitungsprogramm wie Nero WaveEditor oder Audacity verwenden. Die nu leiser gemachten Dateien werden von FLAC z.B. deutlich besser komprimiert - statt etwa 900 kBit/s konnte ich ein Teststück auf 350 kBit/s herunterbringen. Und damit konkuriert FLAC schon mit ADPCM - jedoch mit deutlich besserer Klangqualität.


NACHTEIL ist: Man müsste die Dateien vor dem Abspielen aufwendig verstärken, um die originale Lautstärke wiederzuerhalten. Oder man bräuchte eine Player-Lib, die Lautstärken weit über 100% (bei 10 Bit wären 600% notwendig) ermöglicht. Bei "echten" Playern wie Media Player Classic, foobar2000 oder winAmp kann man nur mit relativ viel Aufwand in diesen Bereich kommen.


Und dann hört man aber dass die Methode, FLAC unterhalb der 16 Bit auszureizen, sehr guten Klang gibt.


Was haltet ihr davon?
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Re: Was lossless audio wirklich kann

Beitrag von NicTheQuick »

Ich halte davon nicht viel. Man hört schon bei MP3s ab 320kBit/s keinen Unterschied mehr zum Original. Modernere Verfahren wie AAC machen das ganze noch besser.
Die Bit-Tiefe zu reduzieren dürfte sich besonders bemerkbar machen bei Musik mit hoher Dynamik, oder bei Gesprochenem. Bei moderner hochkomprimierter Musik wird es vermutlich weniger auffallen. Es wird vermutlich harmonische Artefakte erzeugen, weil die Sprünge zwischen den Samples größer sind. Das heißt man müsste dahinter auch noch einen entsprechenden Filter setzen um diese Artefakte wieder zu entfernen bevor es zur Soundkarte gesendet wird.

Auf der anderen Seite vertraue ich hier auch den Experten, die die Kompressionsverfahren erfunden haben, da die in der Regel wissenschaftliche Vergleiche angestellt haben und das menschliche Hören mit einfließen ließen. Denn nur weil man auf dem Papier Unterschiede erkennen kann, muss es das menschliche Gehör noch lange nicht hören.
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Macros
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Re: Was lossless audio wirklich kann

Beitrag von Macros »

Ich schließe mich da NicTheQuick an.

Es gibt den freien Codec Opus, der Nachfolger von OGG, was PureBasic unterstützt.
Der hat in den letzten 10 Jahren gigantische Qualitätssprünge gemacht und die Ergebnisse sind echt erstaunlich.

Mit 32kBit/s kann man noch Orchestermusik in Stereo anhören. (Ein Beispiel für die hohe Dynamik die NTQ erwähnt hat und die deiner Idee zum Opfer fallen würde) bei MP3 kann man da selbst Popmusik nicht mehr anhören. Ab 64kBit/s wird es für die meisten schwer überhaupt einen Unterschied zum unkomprimierten Ton zu hören, besonders ohne gute Kopfhörer. Bei 96kBit/s wird es selbst für Experten fast unmöglich, sogar, wenn sie das Original direkt im Vergleich hören können.
Wenn du also ganz vorsichtig sein willst nimm 128kBit/s, das ist noch immer ein Drittel deines Ergebnisses!

Hier ein Test von 2019 mit bis zu 96kBit/s (Seit dem gab es zwei Releases von Opus, die die Qualität nochmal gehoben haben)
https://hydrogenaud.io/index.php?PHPSES ... c=117489.0

Und hier kannst du selbst testen ob du den Unterschied erkennst:
http://abx.digitalfeed.net/opus.html
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Re: Was lossless audio wirklich kann

Beitrag von es_91 »

Zu Opus kann ich nur sagen dass ich keine spürbare Verbesserung gegenüber MP3 höre. Ich habe hier gerade 55k MP3 mit 45k OPUS verglichen. MP3 deutlich klarer und fetziger, OPUS stark verwaschen. Grob gesagt.

Das war aber nicht Thema des Threads. Meiner Meinung nach kann man bei verlustbehafteten Speicherungsverfahren gar nicht wirklich von Transparenz sprechen. In den Doppelblindtests werden 50% als Richtwert genommen. Dort heißt es, bei MP3 bräuchte es rund 200 kbit/s um 50% des Publikums von Verlustfreiheit zu überzeigen. Bei OPUS seien es nur rund 160 kBit/s.


Ich denke aber, das Problem ist ein Bisschen die Art wie wir in unsere sound files reinhören. Wenn ich die Nachrichten im Radio anhöre kann es 32 kBit/s MP3 sein, wichtig wäre hier dass jede Silbe verständlich wäre.

Wenn ich mir allerdings Coldplays Jahrhundertalbum dreimal infolge auf einer HIFI-Anlage anhören müsste würde ich es mit MP3 320 kbit/s keine ganze Stunde aushalten. Hier müsste FLAC ran.

Übrigens favorisiere ich ogg vorbis, nicht etwa wegen der mäßigen Klangtreue sondern wegen der bewundernswerten Fülligkeit des Klangbildes. Allerdings gilt wohl für alle verlustbehafteten Codecs eine Art "Notfall"-Effekt: Fährt ein Martinshorn an Dir vorbei scheint erstmal egal zu sein, wer drin sitzt - trotzdem existieren diese Informationen, sie liegen nur nicht klar und frei offen.
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