remi_meier hat geschrieben:...
Mit einer Phase anfassen bezog ich mich auf die normalen Umgegungs-
zustände, also mit einem Fuss auf dem Boden und mit dem anderen
an der Leitung. Bei Gleichstrom muss man da schon bewusst beide
Leitungen anfassen.
Mit dem "normalerweise" hast du insofern Recht, da man normalerweise im tägliche Leben mit Gleichstrom nur in Form von Batteriequellen in Kontakt kommt.
Diese Bauform ist systembedingt "isoliert vom Erdpotential" und somit kann sich ein Stromkreis nur schliessen, wenn man beide Pole anfasst und eben nicht, wenn man nur einen berührt.
Es gibt auch Wechselspannungsnetze, die isoliert vom Erdpotential aufgebaut sind und wo dann eben keiner der beiden Leiter (direkt oder indirekt) geerdet ist. Das hat eben genau den Vorteil, den du bei Batterieanlagen (bzw. deinem Gleichstrom-Beispiel) hast: Es kann jeder der beiden Leitungen "erdfühlig" werden ohne dass ein Strom gegen Erde fliesst - somit löst dann auch keine Sicherung aus und auch der Mensch kann
eine (beliebige!) Leitung dieses Netzes anfassen, ohne dass Ströme fliessen.
Diese Netze nennt man IT-Netze und die werden nicht nur zum Schutz der Menschen in Werkstätten (wie schon weiter oben beschrieben als Trenntransformatoren) eingesetzt, sondern auch in Bereichen, wo ein Erdschluss nicht zu einem Ausfall des Gerätes führen darf.
Ein Beispiel für die Verwendung von IT-Netzen sind z.B. OP-Räume, wo einerseits die Sicherheit der Menschen eine Rolle spielt, aber vor allem auch darf dort bei einem Fehler (defektes Gerät mit Gehäuse- oder Erdschluss) nicht einfach sofort die Sicherung rausfliegen.
Ein Fehler in solchen isolierten Netzen kann man mit speziellen Geräten prüfen, die checken, ob ein Potential auf Erde gezogen wurde.
OP-Räume sind also elektrotechnisch komplett isoliert aufgebaut - man braucht nicht für jedes Gerät einen eigenen Trenntransformator!
Richtiger (bzw. allgemeiner) als die Bezeichnung "Phase" und "N-Leiter" ist daher die Bezeichnung "Potential", was man für Gleich- und Wechselspannung gleichermaßen verwenden kann.
Dass man das bei Gleichstrom mit Plus- und Minus-Pol bezeichnet kommt von der Flussrichtung der Elektronen bzw. davon, an welchem Pol Elektronenüberschuss gegenüber dem anderen besteht (eben am Minus-Pol). Die Batterien oder Akkus wird der Elektronenüberschuss durch chemische Prozesse erzeugt. Die Elektronen fliessen nun durch diese Potentialdifferenz vom Minus-Pol zum Plus-Pol über den angeschlossenen Verbraucher! Der Plus-Pol ist also mitnichten die Quelle des Elektronenflusses - trotzdem ist aber die Stromrichtung von Plus nach Minus-Pol definiert (keine Ahnung, warum)! Das ist fast schon ein Paradoxon an dem auch Elektriker manchmal verzweifeln.
Dass man den N-Leiter in einem Wechselspannungsnetz anfassen kann, liegt also einfach nur daran, dass der niederimpedant (geringer / fast kein Widerstand) mit dem Erdpotential verbunden ist und die Phase eben nicht (gleichzeitig sowieso nicht, da dann sofort - bummm!
Warum "normale" Wechselspannungs-Netze (Info zu Netzformen:
http://www.mostec.de/Anhang/Netzformen.html) übrigens geerdet sind hat ganz nachvollziehbare Gründe.
Jeder weiss eigentlich, dass ich die Spannung einer Quelle durch Reihenschaltung vergrössern kann. (2 Batterien 1,5V in Reihe sind eine Quelle mit 3V).
Man stelle sich nun vor, dass bei Hausinstallationen IT-Netze (also isoliert aufgebaute) verwendet würden. Nun könnte bei 2 dieser Netze ebenfalls die doppelte Spannung auftreten, wenn bei beiden ein Fehler gegen Erde passieren würde - wie im Batteriebeispiel. Man hätte also enorme Probleme bei der Vernetzung bzw. Verbindung der Netze, dem man eben einfach mit der überall vorhandenen Erde als Referenzpotential umgehen kann.
Außerdem würde man natürlich den (für sich betrachtet unkritischen) "Fehler", wenn ein Gerät einen Gehäuseschluss hat, nur durch teure Geräte feststellen können. Und wenn man das nicht checken würde, dann kann man sich vorstellen, wenn bei einem Gerät das eine Potential einen Gehäuseschluss hat und bei einem anderen eben das andere Potential - alles funktioniert und es gibt keinen Hinweis auf einen Fehler, bis die beiden Geräte niederimpedant in Berührung kommen (Geräte berühren sich, Mensch fasst an) - und dann biste platt!
Gruß,
Martin
Strom ist ein richtig nett komplexes Thema ...
