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Verfasst: 15.09.2006 19:26
von FGK
Hallo Leute,

jetzt muß ich mich doch mal als "waschechten Augsburger" outen, und damit hier keine Missverständnisse aufkommen habe ich Euch mal nen kleinen Auszug wie die Wesenszüge des Augsburgers an sich zu deuten sind :lol:

Diese kurze Erklärung versucht das Wesen des "Augsburgers an sich" zu beleuchten. Dies soll an dieser Stelle (ohne den Anspruch der Vollständigkeit zu erheben) geschehen.

Leben und Sterben in Augsburg

Das Leben selbst empfindet der Augsburger als Last. Er schleppt sich zur Arbeit, in seine Stammkneipe, danach widerwillig zu seiner Frau und noch widerwilliger gelegentlich auf sie. Das alles meist mit großem Wehklagen verbunden, denn das kann er, der Augsburger, da zeigt er wahre Eloquenz. Daher mag es nicht verwundern, daß der einzig nennenswerte Schriftsteller den diese Stadt hervorgebracht hat *, so konsequent die Mißstände des Daseins zu beschreiben wußte, daß er einem bereits im Vorwort zu seinen Büchern verraten mußte, wie schlecht die Welt (nicht nur in Augsburg, aber da natürlich besonders) im allgemeinen sei.
Berthold Brecht war es auch, der den Satz prägte, das beste an Augsburg sei der Zug nach München, was uns (das wissen wenige) ja auch die ICE-Trasse gekostet hat. Brecht tat später dann auch genau das, was der Augsburger sich sein Leben lang vornimmt, aber niemals in die Realität umsetzt, er floh in die Ferne, um dort berühmt zu werden und zu sterben (nicht zwingend in dieser Reihenfolge, doch das ist bei Schriftstellern so üblich). Womit wir bei einem sehr heiklen Thema sind: Dem Tod. Allgemein als tiefer Einschnitt ins Leben empfunden, ist das Ende dem Augsburger eher egal. Er geht hin und stirbt. Kein großes Gewese, keine endlose Agonie, nein, man tritt ab, wenn's nun mal an der Zeit dazu ist. Die wenigen überlieferten letzten Worte gebürtiger Augsburger belegen diese Kaltblütigkeit dem Ableben gegenüber. Wahrend weltweit ein großes Geschrei anhebt, wenn's ans Sterben geht (Oscar Wilde: "Entweder diese Tapete geht, oder ich !", Pancho Villa "Laßt es nicht so enden! Erzählt Ihnen, ich hätte irgendwas gesagt!"), reicht dem Lechanrainer meist ein einziges Wort. Aus seiner Zeit in den Diensten des Bayrischen Roten Kreuzes weiß der Autor von einer Geschichte zu berichten, die ebenso tragisch wie unfreiwillig komisch anmutet. Die grade frisch verwitwete Gattin eines Herzinfarktpatienten (es war sein erster und letzter) erzählte den leider zu spät eingetroffenen Helfern, ihr Mann sei in der Küche gestanden, habe den Ausruf "Bluadsakramend" getätigt, sich ans Herz gegriffen und sei tot zu Boden gesunken. Ebenso einsilbig verabschiedete sich der Vater von Gerd Höllerich aus dem Leben. Sein letztes Wort "Scheiße!" hat sein Sohn unter dem Decknamen Roy Black jahrzehntelang musikalisch umzusetzen versucht.

* Fußnote: Wir wollen hier natürlich Franz Dobler nicht unerwähnt lassen, der aber zu gut ist, um in Augsburg wirklich bekannt zu werden.

Freizeit und Hobby

Nicht nur der Name einer Messe, die der Augsburger geradezu zwanghaft aufsucht, um festzustellen, daß er sich auch dieses Jahr keinen Wohnwagen leisten kann und an der "Original Südtiroler Schenke" sauren Wein aus 2-Liter-Drehverschlußflaschen Für 7 Mark 50 das Glas in sich reinzuleeren. Desweiteren natürlich auch wichtige Themen bei der Lebensgestaltung. Seine Freizeit verbringt der Augsburger im Winter auf dem Glühmarkt (die Bezeichnung "Christkindlesmarkt" verwenden nur noch uneingeweihte, also Touristen) und im Sommer - soweit es einen gibt - an den zahlreichen Badeseen. Der Augsburger Glühmarkt unterscheidet sich nicht maßgeblich von Ähnlichen Exzessen in anderen Städten, hier wird der Mensch zur Masse, dezent in die Magengrube gedruckte Ellenbogen fordern ein Gemisch aus Glühwein und Schupfnudeln zutage, das dann in irgendeinem Mantelkragen landet. Es ist ein Geben und Nehmen, quasi eine geschlossene Nahrungskette. Lokale Spezialitäten wie die heißgeliebte "Chinapfanne" (Schredderschwein, angedickt mit Flussigküken) oder Weihnachtsschmuck angefertigt von kleinen taiwanesischen Kinderhänden wandern leicht überteuert über Theke und Budentisch. Dazu erklingt leiernde Weihnachtsmuzak vom Band. Trotzdem muß der Augsburger alljährlich auf dem Glühmarkt, um dort Freunde zu treffen, die er schon seit Ewigkeiten (meist seit dem Plärrer) nicht mehr gesehen hat ("Hoi? Lebsch Du o no ?").
Im Sommer, wie bereits erwähnt, zieht es den Augsburger an die lokalen Badeseen, meist notdürftig angestaute Pfützen mit bedenklichem Algenbefall und bauchoben schwimmender Fischpopulation. Geschwommen wird weniger, dafür gerne illegal gegrillt: Entweder eine halbe Sau oder der eigene mehlige Leib. Ein zufällig angereister Kollege aus dem Saarland, der die Meinung vertritt, der Mensch habe aus ästhetischen Gründen möglichst viele Körperteile durch Kleidung zu bedecken, kommentierte das sich am Kuhsee bietende Schauspiel mit den Worten "Hier wurde selbst ein Kannibale zum Vegetarier I".
Hobbys hat der Augsburger eigentlich recht wenige, sie seien jedoch kurz erwähnt: "Woizabiersaufa, Pressaggfressa, Stroßabofahra" und Touristen den falschen Weg zum Goldenen Saal zeigen.

Kultur und Kunst

Kultur halt der Augsburger grundsätzlich Für irgendetwas, was Biologiestudenten in Reagenzgläsern ansetzen. Daher tut sich der "Kulturbetrieb" in der Fuggerstadt auch etwas schwer. Zwar Pumpen die Stadtvater ("dia da oba !") alljährlich einen sauberen Batzen Geld in diverse kulturschaffende Betriebe, allerdings ohne nennenswerten Bildungserfolg. Kunst ist Für den Augsburger "alls was schee isch", also alles, was besser als seine Ehefrau aussieht, was die Aversion gegenüber der Lüppertz'schen Aphrodite leicht übertrieben wirken läßt.

Der Plärrer

DAS Volksfest überhaupt! Hier findet der Augsburger zu sich selbst. Es ist warmer als auf dem Glühmarkt, man kann sich hinsetzen, mit einem Maßkrug ist besser zuschlagen als mit einer Glühweintasse und es gibt "an Steckerlfisch", der herrlich Durst macht. überhaupt macht alles auf dem Plärrer Durst: Steckerlfisch, Hendl, die Tatsache, daß man um 23 Uhr schon wieder heim zur Frau muß, der Umstand, daß einem bei der Benutzung eines der zahlreichen Fachgeschäfte völlig überraschend die letzten drei Maß abhanden gekommen sind usw. Der Name Plärrer rührt übrigens nicht vom infernalischen Lärm, den dieses Fest zweimal im Jahr über die Stadt verbreitet, sondern geht auf eine Begebenheit aus dem vorvergangenen Jahrhundert zurück. Da suchte nämlich der Steyrer Hans ("der bayrische Herkules") den damals noch namenlosen Plärrer auf und schlug mit all seiner Macht den "Hau-Den-Lukas-Hammer" versehentlich dem Schausteller Karlheinz Gerber "Dr Gerbr Karre" auf den rechten Fuß. Der Schmerzensschrei (oder eben der "Plärrer") soll bis Batzenhofen zu Hören gewesen sein und seitdem hat das größte und schönste Volksfest Schwabens seinen Namen.*
*Fußnote: (Anmerkung des Lektors) Diese Geschichte ist weder überliefert noch wahr, sie muß der Phantasie des Autors zugerechnet werden.

Liebesleben und Erotik

Das Liebesleben des Augsburgers teilt sich in vier Zeiträume ein. Nach kurzer aber heftiger Balz ist man "zam", wenn davon mehr als drei Leute erfahren haben ist man "beianand" und wenn's die Verwandtschaft mitkriegt auch recht bald "verheirat". Warum der Augsburger eigentlich heiratet, kann nur vermutet werden. Er hat wohl Angst nach dem Antreten der Frühbeete ("d'Lebr") in seiner Stammkneipe nix mehr zu erzählen zu haben.
Die Erotik ist dem Fuggerstädtler suspekt und hat, wenn überhaupt vorhanden, in der Ehe nix zu suchen, sondern wird höchstens in Heftform konsumiert (weibliche Augsburger leben ihr Bedürfnis nach Erotik auf Shows der "California Dream Boys" oder billiger Nachahmer aus). Höchstens die Verbalerotik ist ein Feld, auf dem agiert, ja nachgerade agitiert wird. Beispiele hierfür finden sich im späteren Verlauf dieses Buches genügend.

Fazit

Es gäbe noch vieles über den Augsburger zu berichten, beispielsweise über die Psyche des VGA-Fahrers oder die besondere Aufmerksamkeit des Servicepersonals im Einzelhandel. Auch der manische Hang zum Freiluftsaufen (kaum klettert die Quecksilbersäule über die 10 Grad Marke sind der Rathausplatz und ähnliche Open-Air-Schwemmen voll und bald auch jene, die dort Sitzen) gäbe vermutlich eine wissenschaftliche Dissertation her, doch irgendwann muß man auch mal zu einem Ende kommen. Der Autor mochte abschließend bemerken, daß er - obwohl vielleicht der Eindruck entstanden sein konnte - kein Augsburg-Hasser ist. Augsburg hat unglaublich schone Seiten, strahlt an schonen Sommertagen ein geradezu mediterranes Flair aus. Also an drei bis Fünf Tagen im Jahr.

Verfasst: 15.09.2006 19:34
von ts-soft
>> Das Leben selbst empfindet der Augsburger als Last. Er schleppt sich zur Arbeit, in seine Stammkneipe, danach widerwillig zu seiner Frau und noch widerwilliger gelegentlich auf sie
Das erinnert mich mehr an Al Bundy :mrgreen:
Der Rest könnte stimmen, bin aber nur durchgefahren :lol: