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Verfasst: 25.08.2008 14:47
von ZeHa
Man muß es aber anders sehen: Vorschriften sind oftmals extrem streng, einfach damit es eine allgemeingültige Regel gibt. In der Realität sind solche Dinge dann meist doch noch etwas lockerer.
Wenn man aber die Vorschriften gleich realitisch auslegt, dann gibt's wiederum einige, die es noch lockerer sehen, und das ist dann nicht so gut.
Beispiel: Ihr wollt, daß auf einer Straße möglichst keiner schneller als 90 km/h fährt. Also stellt ihr einfach ein "70"-Schild auf. Viele halten sich dran, manche fahren 75 oder 80 und manche fahren auch 90. Klar, Ausreißer die 100 oder 120 fahren wird es immer geben. Aber es sind wenige. Würde da jetzt ein "90"-Schild stehen, dann würden manche 95 oder 100 fahren und einige noch 110, und erst dann kämen die Ausreißer.
So sehe ich das halt... klar, der Typ will's denen halt jetzt mal so richtig zeigen, aber generell ist es nicht verkehrt, wenn Vorschriften erstmal 'nen Tick strenger sind als man sie letztendlich dulden möchte.
Verfasst: 25.08.2008 18:24
von hardfalcon
IMHO kann sie lasche Auslegung/Anwendung eines Gesetzes oder einer Vorschrift nicht Sinn und Zweck der ganzen Sache sein, weil dadurch nicht nur eine unnötige Rechtsunsicherheit geschaffen wird, sondern sich darüber hinaus auch noch die Gefahr einer 2-Klassen-Justiz vergrößert: Was ist, wenn der Richter (alternativ: die Behörde oder der Sachbearbeiter, der zufällig der rachsüchtige Ex-Freund deiner neuen Freundin ist, etc...) das Gesetz bei einzelnen Angeklagten (Justizopfern?) auf den Punkt genau auslegt und mit voller Härte anwendet, bei der großen Mehrheit jedoch nicht? Du kannst dich nicht wehren, weil er sich voll und ganz ans gesetz gehalten hat, dennoch bist du ungerecht behandelt worden.
Gesetze sind (grade bei euch in Deutschland) viel zu oft völlig an der Realität vorbeiformuliert, dem sollte man nicht auch noch unnötig Vortrieb leisten, sondern genau im Gegenteil dagegen vorgehen, soweit man kann. Und eine (IMHO sehr gute) Möglichkeit, dagegen vorzugehen, ist aus meiner Sicht sicherlich auch so ein bürokratrischer Arschtritt wie der hier vorgestellte.
Davon mal abgesehen: Du fragst hier nach Augenmaß, wer fragt denn nach Augenmaß, wenn die Medienindustrie und andere Rechteinhaber Otto-Normal-Filesharer zu absolut durchgeknallten Mondpreisen abmahnen, um nicht zu sagen, abzocken?
Verfasst: 26.08.2008 11:01
von ZeHa
War das jetzt auf mein Posting bezogen? Wenn ja, dann hast Du es glaub etwas falsch verstanden. Das "Augenmaß" hat in dem Fall mit der Geschwindigkeitsbegrenzung ja keinerlei rechtlichen Hintergrund, denn wenn einer bei 'nem 70er Schild mit 80 fährt, dann muß auch er zahlen, keine Frage.
Es ging mir darum: Ein Gesetz (oder eine Regel) will ja irgendwas erreichen, also ein bestimmtes Verhalten. Und um dieses Verhalten tatsächlich zu bekommen, ist es meist vorteilhaft, wenn die Regel etwas strenger ist, denn dann halten sich zumindest die meisten Leute an das, was Du tatsächlich willst (nicht das, was die Regel besagt).
Vielleicht ist ein anderes Beispiel besser: Stell Dir vor Du verkaufst Sachen auf dem Flohmarkt. Du willst für eine alte Bratpfanne unbedingt 15 EUR haben. Du weißt aber, daß die Leute gerne runterhandeln. Wenn Du nun einen Aufkleber mit "15 EUR" draufklebst, dann kommt irgendeiner her und sagt "also für 10 würd ich ihn schon nehmen, aber 15 ist zu teuer" (einfach aus Prinzip). Somit bekommst Du nicht den Preis, den Du eigentlich innerlich gerne hättest. Wenn Du nun aber "20 EUR" draufschreibst, kommt einer und sagt "also 20 ist mir zu viel, aber für 15 wäre ich einverstanden", und Du bekommst somit genau das, was Du haben wolltest.
So ist es bei den Gesetzen halt auch. Gerade weil nicht jeder kontrolliert werden kann, muß ein Gesetz so streng sein, damit diejenigen, die es leicht überschreiten und dabei nicht erwischt werden, immer noch im Rahmen sind. Diejenigen die dennoch erwischt werden, müssen natürlich auch entsprechend bestraft werden, aber das ist einfach 'ne andere Sache. Primär steht ja der Zweck im Vordergrund, also das Verhalten, das man mit einem Gesetz erzwingen möchte. Und weil man weiß, daß man nicht jeden kriegt, zieht man das Gesetz einfach ein bißchen strenger an und bekommt dadurch zumindest weitgehend das, was man möchte.
Filesharing: Stell Dir vor sie würden nach außen hin sagen "also alles unter 1000 Songs ist uns wurscht", dann würde das JEDER ausreizen und womöglich einige - unerwischte! - auch 2000 oder 3000 Songs runterladen, die andernfalls - bei einer strengen "wir dulden das nicht"-Regel - vielleicht maximal 500 Songs runterladen würden. Die werden auch bestraft, klar, aber für die ganzen unerwischten ist zumindest der Schaden etwas minimiert.
Verfasst: 26.08.2008 14:17
von hardfalcon
Auf die Sache mit dem Filesharing gehe ich jetzt hier nicht weiter ein, um nen Flamewar zu vermeiden.
Was du meinst, war mir auch schon vorher klar, genau das habe ich ja kritisiert. Jedes Gesetz sollte so gemacht sein, dass es gerecht/fair/angebracht ist, wenn es aufs Komma genau appliziert wird.
Es geht bei Gesetzen nicht darum, irgendeinen imaginären "Durchschnitt" von Leuten, die sich an ein imaginäres, ungeschriebenes Gesetz halten, einzuhalten, sondern es geht darum, einer Gesellschaft Regeln zu geben, die ein mehr oder weniger harmonisches Zusammenleben ermöglichen.
In einem Staat mit Gewaltentrennung ist es Sache der Exekutive (z.B. der Polizei), dafür zu sorgen, dass die Leute das Gesetz einhalten, die Legislative hat sich nur darum zu kümmern, die Gesetze auszuarbeiten. Und wenn sich jemand nicht an das Gesetz hält, ist es Sache der Judikative, ein angebrachtes Strafmaß (im Rahmen der jeweiligen Gesetze, die von der Legislative festgelegt wurden) für diese Gesetzesübertretung zu finden. (Ich weiß, das war jetzt SEHR theoretisch)
Wenn du sagst "ich will ja eigentlich, dass hier maximal 90km/h gefahren wird, aber damit die Leute sich dran halten, erlaube ich nur 70km/h", schaffst du doch ein Gesetz, das eigentlich dafür gedcht ist, übertreten zu werden. Und genau das kann ja nicht Sinn und Zweck eines Gesetzes sein.

Verfasst: 26.08.2008 15:00
von dllfreak2001
Da stimme ich Hardfalcon zu.
Verfasst: 26.08.2008 15:19
von ZeHa
hardfalcon hat geschrieben:Wenn du sagst "ich will ja eigentlich, dass hier maximal 90km/h gefahren wird, aber damit die Leute sich dran halten, erlaube ich nur 70km/h", schaffst du doch ein Gesetz, das eigentlich dafür gedcht ist, übertreten zu werden. Und genau das kann ja nicht Sinn und Zweck eines Gesetzes sein.

Du hast aber viel mehr Ärger und Verwaltungsaufwand, wenn Du ein "absolut korrektes" Gesetz hast und Dich dann mit jeder kleinsten Überschreitung rumärgern mußt.
Vielleicht noch ein (in meinem Bekanntenkreis neulich erst aufgekommenes) Beispiel, um das genauer zu erklären: Auf vielen Schulen ist es so, daß Du, wenn Du 'ne längere Zeit abwesend bist (z.B. durch Krankheit), ein Jahr wiederholen mußt. So ist die Regel. Im Normalfall ist es aber auch so, daß bei Dir, wenn Du extrem gute Noten schreibst, gerne auch mal 'ne Ausnahme gemacht wird, weil da einfach nicht allgemeingültig eine Regel für alle gelten kann, sondern weil sowas letztendlich im Einzelfall entschieden wird.
So, wenn Du das aber nun wahrheitsgemäß ins "Regelbuch" schreibst, dann steht da "Eigentlich wiederholt man nach 6 Wochen Abwesenheit, aber man kann ja immer mal drüber reden", und das würde - so gut kennt man die Menschheit nunmal - dafür sorgen, daß sehr viele versuchen würden, von dieser großzügigen Ausnahmeregelung Gebrauch zu machen.
Schreibst Du jedoch einfach nur rein, daß 6 Wochen Abwesenheit gleichbedeutend mit Wiederholen des Schuljahrs ist, dann wird da nicht jeder auf eine Ausnahme spekulieren und die meisten werden sich dran halten. Wenn's dann doch mal Einzelfälle gibt, die sich an Dich wenden und mit Dir drüber reden wollen, dann kannst Du ja problemlos eine Ausnahme machen. Räumst Du diese Möglichkeit aber sofort allen ein, dann wird jeder 3. angerannt kommen und sagen "aber ich hab doch auch gute Noten" usw.
Jedes Gesetz sollte so gemacht sein, dass es gerecht/fair/angebracht ist, wenn es aufs Komma genau appliziert wird.
Wenn es nur so wäre! Aber die Realität zeigt doch, daß es immer wieder Ausnahme- und Spezialfälle gibt. Es kann nunmal nicht immer alles schwarz/weiß gesehen werden und alles "aufs Komma genau appliziert" werden, weil es je nach Situation Dinge gibt, die man noch mit einberechnen muß. Solche Dinge braucht man aber nicht von vorneherein groß rausposaunen.
Um wieder auf den GEMA-Fall zu kommen: Stell Dir vor, es gäbe eine "es ist erlaubt, 1 Sekunde Klangmaterial zu samplen"-Regelung. Die würde zum einen jeder ausreizen wollen, und zum anderen würden dann Leute daherkommen und rumtricksen, indem sie einfach 'nen ganzen Takt zusammenbauen, indem sie stückchenweise 1 Sekunde aus 'nem anderen Lied nehmen, nur halt von verschiedenen Stellen die fast gleich klingen usw. usf., kurzum, es würde ziemlich chaotisch werden und jeder auf eine Ausnahme plädieren ("aber ich hab's doch so gemacht und das muß doch dann gehen"). Da ist es leichter, einfach zu sagen "nö geht nicht", und die Fälle, die zu minimal sind, einfach unter "Toleranz" zu verbuchen. Wird dagegen Toleranz von vorneherein eingeräumt, so wird sie bis zum Erbrechen ausgenutzt.
Verfasst: 26.08.2008 17:11
von hardfalcon
Ich habe das so gemeint, dass ein Gesetz niemals dafür bestimmt/ausgelegt sein darf, lasch ausgelegt zu werden, man dem Richter/der zuständigen Behörde in der Praxis trotzdem selbstverständlich eine gewsse "Toleranz" zugestehen muss.
Um auf dein Beispiel mit den 90km/h zurückzukommen: Wenn du willst, dass an einer bestimmten Stelle maximal 90km/h gefahren wird, dann muss das Gesetz so formuliert werden, dass auch ein böswilliger Richter/Polizist (der, aus welchen Gründen auch immer, ohne "Toleranz" entscheidet), jemandem, der an dieser Stelle 90km/h fährt, nichts anhaben kann.
Wenn man jedoch an dieser Stelle offiziell nur 70km/h erlaubt, könnte ein Richter/Polizist hingehen und jemanden, den er nicht leiden kann, ganz legal bestrafen, wenn er mit 90km/h fährt (obwohl du als Gesetzgeber ja eigentlich wolltest, dass die Leute bis zu 90km/h fahren).
Verfasst: 26.08.2008 19:57
von ZeHa
Naja aber wenn 70 dransteht, dann steht 70 dran, und dann wird auch jeder bestraft, der 90 fährt, nicht nur der, den der Polizist nicht leiden kann

Die Regel ist dann nunmal 70 und nicht 90. Klar, wenn alle Menschen sich an alle Regeln halten würden, dann wäre ein 90er-Schild ja kein Problem, aber weil man die Menschen kennt und es letztendlich wichtiger ist, daß dort
nichts passiert, man also sozusagen die Menschen vor ihrer eigenen Nachlässigkeit schützen möchte, stellt man 70 auf und erreicht nunmal eher das, was man eigentlich wollte, als wenn man ein 90er-Schild aufstellt. Wie gesagt, es geht nicht ums Bestrafen oder sonstwas, es geht nur drum, den Schaden, der enstehen würde, zu begrenzen, indem man etwas "übervorsichtig" ist und das Verhalten des Menschen mit einplant.
Ist vielleicht unfair gegenüber denen, die bei einem 90er-Schild brav ihre 90 fahren würden, aber das wissen sie ja nicht, für die ist einfach 70 und dann fahren sie womöglich auch brav 70. Trotzdem ist erreicht, daß nur sehr wenige die 90 überschreiten
Wie gesagt, nochmal aufs eigentliche Beispiel mit der GEMA bezogen: Es ist einfach weitaus unkomplizierter und hält den Ärger im Rahmen, wenn man solche Regeln wie "Du darfst überhaupt nix ohne Erlaubnis samplen" festlegt. Weil das ist unmißverständlich und kann für
jeden Fall, der eindeutig eine Überschreitung darstellt, angewandt werden. Sobald Du aber sowas schreibst wie "Du darfst nichts,
was ein Hörer identifizieren kann, ohne Erlaubnis samplen", dann geht der Ärger schon los, weil es hier wieder Auslegungssache ist.